BGH v. 16.5.2024 - IX ZR 143/23

Widerspruch gegen die Feststellung einer titulierten Forderung zur Tabelle - Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits

Widerspricht in einem Eigenverwaltungsverfahren ausschließlich der Sachwalter der Feststellung einer titulierten Forderung zur Tabelle, ist er und nicht der eigenverwaltende Schuldner befugt, den Widerspruch durch Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits weiterzuverfolgen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Anfechtung von Zahlungen der B. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) an die Beklagte. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestand eine laufende Geschäftsbeziehung. Auf einen Eigenantrag eröffnete das Insolvenzgericht im März 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Er nahm die Beklagte auf Zahlung von ca. 65.000 € unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung in Anspruch.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Deren Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im neuen Berufungsverfahren erging gegen die im Verhandlungstermin säumige Beklagte ein Versäumnisurteil, gegen welches sie Einspruch eingelegt hat. Im Januar 2020 eröffnete das Insolvenzgericht auf ihren Antrag das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen in Eigenverwaltung und bestellte Rechtsanwalt R. zum Sachwalter. Der Kläger meldete die Klageforderung zur Tabelle des Eigenverwaltungsverfahrens an. Der Sachwalter widersprach der Feststellung der Forderung zur Tabelle. Im Juli 2022 haben die Beklagte einerseits und der Sachwalter andererseits beim Berufungsgericht erklärt, das Verfahren aufzunehmen. Im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht im Juli 2023 hat nur die Beklagte beantragt, die wirksame Aufnahme des Rechtsstreits festzustellen; der Sachwalter hat davon abgesehen, seinen Antrag auf Feststellung aufrechtzuerhalten.

Das Berufungsgericht hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit weiterhin unterbrochen ist. Der BGH hat die dagegen eingelegte Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Da nur der Sachwalter der Forderungsanmeldung widersprochen habe, könne die Beklagte als Schuldnerin den Widerspruch nicht verfolgen. Denn § 184 Abs. 2 InsO gestatte es dem Schuldner nur, seinen eigenen Widerspruch zu verfolgen. Abgesehen davon, dass der Sachwalter seinen Antrag auf Aufnahme des Rechtsstreits ohnehin zurückgenommen habe, fehle diesem auch eine Aufnahmebefugnis. Übe der Sachwalter sein Widerspruchsrecht gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO aus, dürfe nur der anmeldende Gläubiger aktiv werden. Dieser könne die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits betreiben.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Rechtsstreit unterbrochen ist. Die Unterbrechung ist nicht aufgrund der Aufnahmeerklärung der Beklagten beendet worden.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten in Eigenverwaltung ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kommt eine Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 85, 86, § 180 Abs. 2 InsO in Betracht.

Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 270c Satz 2 InsO in der bis zum 31.12.2020 geltenden und hier gemäß Art. 103m EGInsO noch anzuwendenden Fassung haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Sachwalter anzumelden. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO können bei der Prüfung der Forderungen außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, nicht als festgestellt. Gemäß § 179 Abs. 2 InsO, der gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auch auf die Eigenverwaltung Anwendung findet, obliegt es dem eine angemeldete Forderung Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt.

War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2, § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben.

Daran gemessen, hätte im Streitfall - abgesehen von dem als Gläubiger ebenfalls aufnahmeberechtigten Kläger - nur der Sachwalter die Aufnahme des Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam betreiben können.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.06.2024 14:43
Quelle: BGH online

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