Aktuell in der GmbHR

Pflichtteilsrechtliche Erwägungen bei der Gestaltung von Nachfolgeklauseln (Heckschen/Hindahl, GmbHR 2024, 517)

In der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungspraxis nimmt die Ausgestaltung von Abfindungsklauseln, Abfindungsausschlüssen und Abfindungsbeschränkungen eine ganz besondere Bedeutung ein. Grundsätzlich ist ein Abfindungsauschluss im Todesfall auch nach der Rechtsprechung des BGH zulässig.

Neben Problemen aus dem Bereich des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts lösen solche Abfindungsausschlüsse und wohl auch Abfindungsbeschränkungen nach einem Urteil des IV. Senats des BGH auch aus Sicht des Pflichtteilsrechts eine Vielzahl von Fragen aus. Der nachfolgende Beitrag erläutert kurz die Entscheidung des BGH und stellt die Reaktionen, die diese Entscheidung in der Literatur ausgelöst hat, dar. Die Autoren zeigen dann Anhaltspunkte auf, aus denen sich ausnahmsweise eine Einordnung entsprechender Klauseln als Schenkung ergeben können.

I. Einleitung
II. Zusammenfassung des BGH-Urteils vom 3.6.2020 – IV ZR 16/19
III. Bisherige Auffassungen in der Literatur
IV. Mögliche Kriterien zur Bestimmung von Ausnahmefällen

1. Der Abfindungsausschluss verfolgte keine gesellschaftsrechtliche Zwecksetzung
2. Keine Gegenleistung für die Vereinbarung der Abfindungsklausel durch etwaige Arbeitsleistungen oder Übernahme von Haftungsrisiken
3. Alter und Gesundheit der Gesellschafter
4. Abfindungsfreie Übertragung der Gesellschaftsanteile ohne Verlustrisiko als Zielsetzung
5. Kein unternehmerisches Risiko
6. Zusammensetzung und Anzahl der Gesellschafter
7. Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters durch die Nachfolgeklausel
8. Zeitpunkt der Vereinbarung der Nachfolgeklausel mit Abfindungsausschluss
9. Vermögensherkunft
10. Inanspruchnahme der erbschaftssteuerlichen Privilegierung gem. §§ 13a ff. ErbStG
V. Auswirkungen des MoPeG
VI. Buchwert-Abfindungsklauseln oder Abfindungen unterhalb des Verkehrswertes
VII. Einziehungsklauseln von Geschäftsanteilen bei GmbHs
VIII. Erbschaftssteuerliche Behandlung
IX. Problematische Gestaltungen

1. Ehegatteneigenheimgesellschaft
2. Familienpoolgesellschaft/Familienholding
X. Gestaltungsempfehlungen
XI. Fazit


I. Einleitung

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Nachfolgeklauseln für das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personen- oder Kapitalgesellschaft finden sich in vielen Gesellschaftsverträgen und häufig erfassen diese auch den Fall des Todes eines Gesellschafters. Nicht selten findet man Nachfolgeklauseln mit einem vollständigen Abfindungsausschluss vor. Solche Klauseln werden von der Rechtsprechung gesellschaftsrechtlich als zulässig angesehen. Auch erbrechtlich werden solche Klauseln grundsätzlich nicht als Schenkung an die verbleibenden Gesellschafter gewertet, wenn sie zufallsabhängig sind und für alle Gesellschafter gelten. Das Erbschaftssteuerrecht sieht allerdings in § 3 Nr. 2 Satz 2 und Satz 3 ErbStG Abfindungsbeschränkungen als einen zu besteuernden Erwerb von Todes wegen an. Der Erbe und Pflichtteilsberechtigte erhält im Todesfall also regelmäßig keinerlei Ausgleich im Rahmen einer Abfindung oder über seinen Pflichtteil/Pflichtteilsergänzungsanspruch. Erstmalig hat der BGH in einem Fall im Jahre 2020 einen solchen Abfindungsausschluss als Schenkung qualifiziert, so dass dies dann Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst. Dieses Urteil hat im gesellschaftsrechtlichen Diskurs, anders als im erbrechtlichen, wenig Beachtung gefunden. Dieser Aufsatz soll deshalb die Folgen für die Gestaltung von Nachfolgeklauseln aufzeigen.

II. Zusammenfassung des BGH-Urteils vom 3.6.2020 – IV ZR 16/19
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Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

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Im Jahr 2008 erwarb eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus dem Erblasser und seiner Ehefrau aus zweiter Ehe, eine Eigentumswohnung. Zur Finanzierung des Darlehens nahmen die Gesellschafter ein grundschuldgesichertes Darlehen über 125.000 € auf, für das sie beide gesamtschuldnerisch hafteten. Zins und Tilgung erfolgte aus den Mieteinnahmen. Die Wohnung war zu einer unterhalb des ortsüblichen Mietzinses liegenden Miete an den gemeinsamen Sohn der Gesellschafter vermietet.
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Im Jahre 2011 gründete der Erblasser zusammen mit seiner Ehefrau eine weitere GbR. Diese GbR kaufte eine noch zu errichtende Eigentumswohnung und wurde als Eigentümerin eingetragen. Der Kaufpreis für diese noch zu errichtende Wohnung stammte aus dem Verkaufserlös eines Grundstückes, das dem Erblasser und seiner Ehefrau zuvor in GbR gehört hatte. Nach Fertigstellung der Wohnung zogen der Erblasser und seine Ehefrau in diese Wohnung.

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Der Gesellschaftsvertrag der GbR sah einen allseitigen Abfindungsausschluss für den Tod eines Gesellschafters vor. Im Jahre 2014 vereinbarten der Erblasser und seine Ehefrau, dass ein Abfindungsausschluss für alle GbRs gelten sollte. Der Erblasser hatte seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Ein Sohn aus erster Ehe machte nun Wertermittlungsansprüche im Hinblick auf die beiden Immobilien geltend, da der Abfindungsausschluss als Schenkung an den Ehegatten zu qualifizieren sei.

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In der ersten Instanz hatte die Ehefrau des Erblassers noch obsiegt. Das LG nahm an, dass keine Schenkung vorliegt. Das OLG sprach dem Sohn aus erster Ehe jedoch einen Wertermittlungsanspruch im Hinblick auf die Immobilien und nicht im Hinblick auf den Wert der Gesellschaftsanteile zu.

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Der BGH betonte in seiner Revisionsentscheidung, er halte grundsätzlich an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, nach der solche Nachfolgeklauseln grundsätzlich keine Schenkungen darstellen. In Ausnahmefällen sei dies jedoch anders zu beurteilen. Ein solcher Ausnahmefall liege vor, da die Nachfolgeklausel keinen gesellschaftsrechtlichen Zweck zur Sicherung des Fortbestandes der GbR hatte. Der Abfindungsausschluss basiere nicht auf einem etwa gleich hohen Vorversterbensrisiko. Letztlich sei der Erblasser kein bewusstes Verlustrisiko eingegangen, sondern die abfindungsfreie Übertragung der Gesellschaftsanteile sei gerade sein Ziel gewesen. Insgesamt lässt sich dem Urteil des BGH entnehmen, dass die Annahme einer Schenkung bei Nachfolgeklauseln mit Abfindungsausschluss die Ausnahme bleiben soll.

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Nachfolgeentscheidungen zu dieser Problematik gab es bisher nicht.

III. Bisherige Auffassungen in der Literatur
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Teilweise vertrat die Literatur bereits vor der Entscheidung des BGH, bei reinen vermögensverwaltenden Gesellschaften seien Nachfolgeklauseln mit Abfindungsausschluss als Schenkung zu beurteilen. Teilweise wird zusätzlich als Tatbestandsmerkmal ein kleiner Gesellschaftskreis verlangt. Dem ist Hölscher bereits vor dem Urteil des BGH entgegentreten und hat argumentiert, dass das Vorliegen einer rein vermögensverwaltenden GbR nicht dafür ausreichen kann, um die Annahme einer Schenkung zu begründen. Dem ist zuzustimmen. Lediglich das Kriterium der Vermögensverwaltung kann für die Annahme einer Schenkung nicht ausreichen. Er hat weitere Kriterien entwickelt, anhand derer bestimmt werden soll, ob...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.06.2024 15:18
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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