Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 21)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Hamm 5.7.2023, 8 U 158/22
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für ordentliches Gerichtsverfahren auf Abschlag auf eine Gesellschafterabfindung gegenüber Schiedsverfahren für endgültige Abfindung

1. Für den Antrag auf Zahlung eines Abschlags auf die dem aus einer GmbH & Co. KG ausscheidenden Kommanditisten zustehende Abfindung besteht ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis vor den ordentlichen Gerichten, auch wenn der Gesellschaftsvertrag für die endgültige Bestimmung der Abfindung ein Schiedsverfahren vorsieht.

2. Eine teilweise einseitige Erledigungserklärung kann nach dem Interesse der Parteien als privilegierte Klagerücknahme mit Kostenantrag gegen die Beklagte gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ausgelegt werden, wenn der mit einem Mahnantrag geltend gemachte, für erledigt erklärte Teil nicht rechtshängig geworden ist.

3. Die Rechtshängigkeitsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO dient anderen Zwecken als die Regelungen der §§ 263 f. ZPO, so dass eine Klageerweiterung im Rahmen der Anspruchsbegründung gem. § 697 ZPO unabhängig von der Abgabe „alsbald“ zuzulassen ist.

4. Ob und in welchem Rahmen eine vertraglich vereinbarte Leistung gem. § 315 BGB durch eine Partei zu bestimmen ist, ist aufgrund von Wortlaut, Systematik und Umständen der Vereinbarung sowie nach dem Zweck des betroffenen Anspruchs (hier: des Anspruchs auf Abschlagszahlung) und des Leistungsbestimmungsrechts im Wege der Auslegung zu begründen. Hat die Bestimmung nach dem Maßstab der „Angemessenheit“ zu erfolgen, spricht dies dafür, dass die Parteien damit dem gesetzlichen Maßstab des „billigen Ermessens“ entsprechen wollen.

5. Dem Wortlaut und Zweck gemäß handelt es sich bei einer Abschlagszahlung auf eine Abfindung um eine Vorauszahlung auf eine dem Gläubiger bereits zustehende, aber noch nicht fällige Leistung. Anders als bei einer Vorauszahlung oder einem Vorschuss geht es bei der Abschlagszahlung um dem Gläubiger bereits zustehendes oder „verdientes“ Geld.

6. Das Leistungsbestimmungsrecht wird der Gesellschaft im Hinblick auf die allein hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Abfindung noch bestehende Unsicherheit eingeräumt. Ist der Abschlag als 30 %-Anteil festgelegt, bezieht sich das Ermessen der Gesellschaft daher allein auf die Berechnungsgrundlage, also die Höhe des Abfindungsbetrags.

7. Die Leistungsbestimmung der beklagten Gesellschaft ist unbillig und gem. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unverbindlich sowie durch das Gericht auszuüben, wenn das Ermessen der Beklagten ausgefallen ist, weil sie, statt eine vertragsgemäße Entscheidung über die Abschlagszahlung vorzunehmen, dem Kläger allein die gesellschaftsvertraglich geschuldete Steuererstattung gewährt und diese teilweise lediglich geringfügig aufgerundet.

8. § 308 Abs. 1 ZPO hindert das Gericht nicht daran, einen anders als in der Anspruchsbegründung errechneten und zusammengesetzten Abfindungsabschlag zuzusprechen. Setzt sich der einheitliche Streitgegenstand aus einzelnen (unselbständigen) Rechnungsposten zusammen, darf das Gericht Einzelposten mit höheren Beträgen einstellen, solange nur die beantragte Summe nicht überschritten wird.
(alle amtl.)

 

OLG Schleswig 28.2.2024, 9 U 124/22
Stimmrechtsausschluss bei Bestellung eines Sonderprüfers

1. Ein Hauptversammlungsbeschluss kann angefochten werden, wenn die Feststellung des Abstimmungsergebnisses fehlerhaft ist, weil Stimmen mitgezählt worden, die nicht berücksichtigungsfähig sind, und ohne diese Stimmen ein anderes Ergebnis zustande gekommen wäre.

2. Das Stimmverbot des § 142 Abs. 1 Satz 2 AktG ist entsprechend anwendbar auf Gesellschaften als Aktionäre, wenn ein Mitglied der Verwaltung als Gesellschafter oder Verwaltungsmitglied maßgeblichen Einfluss auf die Stimmabgabe der beteiligten Gesellschaft auszuüben vermag, insbesondere wenn die beteiligte Gesellschaft von dem Verwaltungsmitglieds abhängig ist.

3. Zur Zulässigkeit einer positiven Beschlussfeststellungsklage.
(alle nicht amtl.)

 

BGH 12.3.2024, XI ZR 274/22
Risikohinweise im Prospekt hinsichtlich Investitionen in restituierte Waldflächen

Kein Prospektfehler bei hinreichend deutlichem Hinweis auf die Risiken der geplanten Geldanlage (hier: Erwerb restituierter Wälder in Rumänien).
(nicht amtl.)

 

BFH 18.7.2023, IX R 17/22
Keine Änderung eines Steuerbescheids nach § 173a AO bei fehlerhaftem Datenimport ins ELSTER-Portal

1. Ein „Verklicken“ beim Import von steuerlichen Daten in das ELSTER-Portal ist kein nach § 173a AO korrigierbarer Schreibfehler.

2. § 173a AO ist nicht bei sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten, die dem Steuerpflichtigen bei der Erstellung seiner Steuererklärung unterlaufen sind, anwendbar (Bestätigung der Senatsentscheidung v. 27.4.2022 – IX B 57/21).
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.05.2024 10:53
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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